Smarthome ist ein boomender Wirtschaftszweig und fast jeder springt auf diesen Zug auf. Natürlich machte die smarte Welt auch vor meiner Haustür nicht halt und vor einiger Zeit begann ich, meine ersten Gehversuche in der smarten Welt. Mit Entstehung meines kleinen Filmzimmers kam ich auf die Idee, dass sich doch das Licht automatisch ausschalten müßte, wenn man via Kodi einen Film startet. Und so rüstet ich ein wenig auf, der Lightmanager Mini zog bei mir ein, so wie mehrere Funkdimmer. Nach einer kurzen Einrichtungsphase war ich sichtlich begeistert. Es funktionierte, Kodi startet und das Licht geht an, ein Film startet und das Licht geht aus. Kurz danach, stand die Renovierung des Zimmers bevor und ich war gerade im Baumarkt, um mich nach einer passenden Schalterserie um zu schauen. Das meiste gefiel mir nicht so recht, was mir gefiel war schrecklich teuer und so drängt sich die Überlegung auf, einfach auf den Schalter zu verzichten. Es funktioniert auch so prima, also wozu einen Lichtschalter. Letztlich, das Licht mechanisch über einen Schalter ein- oder auszuschalten ist ja genauso oldschool, wie ein Senderwechsel am Fernsehr direkt (die älteren werden sich erinnern )
Schließlich leben wir im digitalen Zeitalter, da macht man sowas einfach nicht mehr....Lichschalter....pfff
Doch mit diesem Entschluss plagte mich schnell die Tatsache, dass meine anderen Räume alle garnicht so smart sind. Es mußte aufgerüstet werden. Also anstatt einen Lichtschalter für ein Zimmer für 20 € zu kaufen, wurde Smarthomehardware angeschafft. Ein Raspberry PI, ein 433MHz Modul, Fhem und etliche Funkdimmer/Schalter und im Nu war mein Licht in der ganzen Wohnung smart. Dummerweise fehlte noch etwas zeitgemäßes zum steuern, denn man ja auch nicht immer das Smartphone zur Hand, und so kam es, dass Alexa bei mir einzog. Achja...Alexa , die erste Frau die keine Widerworte gibt und das tut was man ihr sagt. Zugegeben, ihr quitierendes "OK" nach einem Kommando ist etwas unbefriedigend, so etwas wie "für Dich tue ich alles" wäre da angemessener, aber geben wir Amazon einfach noch ein bisschen Zeit zum nachbessern. Mit dem Einzug von Alex veränderte sich hier einiges, wie es halt so ist, wenn eine Frau einzieht. Zwar beschwerte sich Alexa nicht über meinen begehbaren Kleiderschrank (die meisten nennen es glaube ich "Schlafzimmer"), aber es boten sich so viele tolle Möglichkeiten, so lasse ich mich von Alexa wecken. Aber ja, ihr habt natürlich Recht. Licht ein und ausschalten via Alexa und die Weckerfunktion ist Smarthome für Einsteiger und begeistert lediglich Menschen die mit "HALLO WELT" nichts anfangen können. Es musste aufgerüstet werden. Ich entschied mich für die Yeelight, Chinas Antwort auf Hue, eine Smarte LED RGBW Lampe, mit der man nicht nur einfach Licht an und aus schalten kann, sondern auch eine Sonnenaufgangssimulation für das smarte und sanfte Wecken am Morgen realisieren kann. Ein Traum....denn der Wecker von Alexa reißt einen doch sehr unsanft aus dem Schlaf, vergleichbar mit der Ehefrau die Euch weckt, nachdem ihr am Vorabend kräftig darüber gestritten habt, ob sie in dem roten Kleid dick aussieht. Aber das hat ja jetzt ein Ende. Allmorgentlich und exakt 5 Minuten vor Alexa`s Alarmgetöse erstrahlt mein Schlafzimmer in sanften Rot- und Orangetönen und dimmt dann langsam so einem angenehmen weißen Licht auf. Das nenne ich smartes wecken und manchmal frage ich mich:" was haben die Leute nur früher gemacht?" Kein Wunder dass die Lebenserwartung derzeit steigt, würde ich jeden Morgen von einen durchdringenden Schrillen Ton eines Weckers aus dem Schlaf gerissen, hätte ich auch einen Herzkasper...aber heut zu Tage gibts ja Smarthome, welch ein Segen.
Aber das reichte mir noch nicht. Lichtspielerein sind eine Sache, echtes Smarthome etwas ganz anderes. Und da spielte mit Gevatter Zufall in die Hände. Der Thermostat meiner Leasingtherme quitierte seinen Dienst und die Stadtwerke (die ich mittlerweile leiden kann eine Wuzelbehandlung ohne Betäubung) und deren Fachhandwerker (der Licht anschalten via Sprachsteuerung für schwarze Magie hält) weigerten sich, den Thermostat aus zu tauschen. Das war die Gelegenheit, meine Gastherme ins 21. Jahrhundert zu bringen. Ich entschied mich also für den Smarthomethermostat von Netatmo. Laut Kundenbewertungen mit kinderleichter Installation, die jeder schafft. Also gekauft, geliefert und angeschlossen. Gefühlt hat es extrem lange dauert, aber wir Männer haben ja ein von Natur aus vorprogrammiertes Defizit mit der Längeneinschätzung, daher waren es wohl doch nur 10 Minuten. Wie dem auch sei, es lief dann halt irgendwann und ich war begeistert. Jetzt konnte Alexa nicht nur mein Licht steuern, sondern auch noch meine Gastherme und um die Sache noch Runder zu machen bestelle ich mir das Smarthomepaket von Xiaomi mit etlichen Temperaturfühlern die ich in der ganzen Wohnung verteile. Jetzt war das Aufstehen eine runde Sache. Um punkt 5:15 leuchtet mein Schlafzimmer in angehmen Rot- und Orangetönen die mich sanft aus dem Schlaf holen, bis mich dann Alexa um 5:20 entgültig zum aufstehen motivert, was mir nicht mehr all zu schwer fällt, denn die Wohnung ist smarter Heizung genau um diese Uhrzeit angenehm warm und in allen nötigen Räumen brennt das Licht und auch der Wasser beginnt seine Arbeit ohne mein Zutun. Nur Aufstehen, Waschen und mit Hund raus muss ich noch selbst erledigen, aber auch dafür bietet Xiaomi bald eine passende Lösung.
Hat man diesen Punkt erst einmal erreicht, fängt man, alles in Frage zu stellen. Jeden einzelnen Handgriff hinterfragt man und googlet, ob es dafür nicht eine smarte Lösung gibt. So kam ich auf Nello One. Ein smarter Türöffner der, einige werden es bereits erahnen, die Haustür öffnet. Schlüssel sind ja auch so eine Sache...kann man vergessen, kann man verlieren, kann man abbrechen und dann Schmipfe mit der Hausverwalterin kriegen (und die kann wirklich garstig werden. würde ich ihr Geschreihe aufnehmen und als Weckfunktion über Alexa nutzen, wäre um 5:20 die ganze Straße wach - aber ich schweife ab). All diese Probleme gehören nun der Vergangenheit an, denn Nello One öffnet mir die Haustür. Entwerder über Fhem oder die App, manuell, zeigesteuert oder wenn mein Handy in der Nähe ist, vollautomatisch. Ein Traum, denn Nello ist kompatibel zu DHL und Hermes, so dass ich jetzt noch mehr Smarthomekram in China bestellen kann und der nette Paketbote kann mir die Sachen dank Abstellgenehmigung einfach vor die Wohnungstür legen. Das freut nicht nur den lieben DHL Fahrer der seine Pakete los wird, auch meine Nachbarn die keine Pakte mehr annehmen müssen und auch die Chinesen, die jetzt noch mehr Kram verkaufen und vermutlich dank smarter Welt mehr von mir wissen als ich selbst. Wo ich wohne, wann ich zur Arbeit fahre, wann ich nach Hause komme, wann ich wo das Licht anschalte, wie ich heize, welche Filme und Serien ich schaue, wann und ob es bei mir brennt und vermutlich haben die sogar ihr ganz privates Big Brohter dank der IP Kameras in meiner Wohnung. Vermutlich bin ich China eine Kopie von Jürgen oder Sladko (na wer kennt sie noch???)
Aber wie dem auch sei, meine smarte Welt wuchs und wuchs und ich genoss die Vorzüge, unwissend dass sich die RWE gleichermaßen über meine Smarthomebegeisterung freute, denn ich vergaß doch leider, dass jedes smarte Gerät ja irgendwie immer Strom braucht, ob es nun an ist oder nicht...aber das soll ja nicht das Thema sein. Man muss ja auch mit der Zeit gehen. Früher hat man auf einen Schalter gehauen und das Stromkreis wurde geschlossen, das Licht ging an. Ganz so einfach geht in unser modernen Gesellschaft einfach nicht mehr, dessen muss man sich klar sein. Was ist heute noch einfach? Heute gibt man den Sprachbefehl an Alexa, die sendet ihn an einen Amazonserver der die Anfrage bearbeitet, das Ergebnis zurück an Alexa die dann wiederum den Befehl weiterleitet, entweder an meine HA Bridge die dann das Licht einschaltet oder je nach Endgerät, oder aber an IFFFT, dessen Server dann mit den Servern des Herstellers des Gerätes kommunizieren, die dann das Gerät aktivieren. Also eigentlich hat mein Wohnzimmerlicht mehr von der Welt gesehen als ich
Aber ist das nunmal. Einen Schaltbefehl vom Schalter direkt zur Lampe zu schicken ist oldschool, heute muss es erst um die halbe Welt gehen und unterwegs in China ausgewertet werden, dann ist es richtig.
Alles war so schön, bis eines morgens. Ich wachte auf und schaute kurz durchs Zimmer, zwar erstahlte dass Schlafzimmer in den schönsten Rottönen, aber da Alexa keinen Piep von sich gab, war ich der festen Überzeugung dass es noch keine 5:20 Uhr sei. Denn das Licht ging ja immer 5 Minuten früher an. Ach die berühmten 5 Minuten....also drehte ich mich nochmal auf die Seite und wollte noch ein paar Minuten meine Augen ausruhen, als ich im letzten Moment die Zahlen auf meinem alten Funkwecker sah. 6:15 Uhr....scheisse ich hab verschlafen! Wie konnte das passieren? "Alexa - Licht an!" brüllte ich durch die Wohnung aber nichts passierte. Alexa quitierte meine Aufforderung nur mit einem kurzen Signalton, der nichts gutes verhieß. "ALEXA - LICHT AN!" brüllte ich erneut - doch Alexa regierte in keinster Weise, dafür meine Nachbarn, die nun auch endlich mal wach waren, mit lautem Klopfen
Ich quälte mich auf dem Bett und stolperte in den Korridor und stand ich dann. Es war kalt, denn die Heizung war aus, es war dunkel und es gab keine Lichtschalter mehr in der ganzen Wohnung und ich wurde zunehmend nervös. Verflucht...was jetzt? Meinen Hund schien das ganze übrigens wenig zu beeindrucken, er tapperte ganz entspannt vom Schlafzimmer ins dunkle Wohnzimmer, fand auf Anhieb seine Decke, legte sich hin und beobachtete das Spektakel. Ich hingegen stolperte durch eine stock finstere Bude, denn Licht gabs es nur im Schlafzimmer, welches durch meinen PI gesteuert wurde. Alles andere war zwingend auf Alexa und das Internet angewiesen...oder eben auf mein Smartphone...aber finde mal ein 10 cm Smartphone in einer 60 qm Wohnung die dunkel ist. Und so stand ich da....verschlafen, ohne Licht, ohne Heizung und mir schossen zwei Gedanken durch den Kopf: hättest Du einen echten Lichtschalter wäre es nicht so dunkel und hättest Du eine echte Frau anstelle von Alexa wäre wenigstens jemand zum anschreien und Schuld zu schieben da
Dennoch kam ich Gott sei dank pünktlich zur Arbeit, auch wenn dafür mein Hund seinen Pipibaum an diesem Morgen nur im vorbeirennen gesehen hat. Die Quittung dafür gabs dann abends als ich heim kam und mein Hund mir eine Überraschung ins Wohnzimmer gelegt hat. Was ja nicht so dramatisch gewesen wäre, wäre da nicht der Saugroboter der täglich seine Runden dreht und....naja den Rest könnt ihr Euch denken.
Und das alles nur, weil einfach mal für ein paar Stunden das Internet nicht ging und Alexa nicht mehr in der Lage war, meine smarte Welt zu steuern. Mein erster Gedanke war, überall Funkschalter an die Wand zu kleben, aber was ist, wenn es das nächste mal mein Router ist der nicht mehr funktioniert? Oder ads Raspberry PI? Dann geht garnichts mehr.
Ein kleiner Winstoß bringt das komplette Kartenhaus zum einsturtz, ein gewaltiges Risiko und trotzdem lassen wir uns täglich immer mehr darauf ein und geben immer mehr Kontrolle ab. Heute im Haushalt, morgen im Auto und übermorgen....