Ich wollte eigentlich immer Informatiker werden... kam aber anderst...
Wie bei uns üblich ist man gegen Ende Schulzeit erstmal mit den Eltern zur Berufsberatung gegangen. Dort habe ich klar gemacht, dass ich unbedingt eine Lehre als Informatiker machen will. Antwort der Berufberatung: "Auch wenn du in Mathe, Geometrie, Algebra und allen anderen "logischen" Fächern fast nur 5er und 6er (ne 1. bei euch) hattest, es gibt genug Informatiker (!!), lerne doch Radio-TV-Elektriker (das hat sicher mehr Zukunft )".
Nun gut, mit etwas Vitamin B von meinem Dad (kannte alle in dem Laden) hatte ich bereits nach der ersten "Schnupperwoche" die Lehrstelle im Sack. Ziemlich schnell wurde mir aber klar, dass das für mich keine Zukunft hat. Nach 2 von 4 Jahren war ich kurz davor, die Lehre abzubrechen und nochmals neu als Informatiker anzufangen. Aufgrund meiner Bequemlichkeit wurde daraus aber nichts und ich hab mich die restlichen zwei Jahre noch irgendwie durchgemogelt. Mein Lehrmeister konnte es kaum glauben, dass ich mit meinen Zeugnisnoten den Abschluss bestanden habe. Zu meinem Glück zählten die Zeugnisnoten nicht zur Abschlussprüfung dazu
Nach Ende des Lehrvertrages habe ich keinen einzigen Tag mehr auf dem Beruf gearbeitet.
Danach kamen 6 Monate Arbeit in einer Spezialitätenbäckerei (Magenbrot) bei einem guten Bekannten, dann ein paar Monate Arbeitslosigkeit.
Danach hab ich in einer Pizzeria als Kurier angefangen, um wenigstens ein wenig Kohle zu verdienen. Ich hatte geplant, da 2-3 Monate zu überbrücken, bis ich was schlaues finden würde. Die Arbeitszeit vom 11:00 bis 14:00 und 17:00 bis 23:00 kam aber meinem "Alltag" zu sehr entgegen, ausserdem arbeitet dort auch noch einer meiner besten Freunde... Bis 10:00 ausschlafen, dann arbeiten, dann chillen, dann arbeiten, dann mit dem Freund Trinkgeld versaufen, kiffen und bis 04:00 Call of Duty zocken. Was will man in dem Alter mehr! Also wurden aus dem 2-3 Monaten schlussendlich 2 Jahre Vollzeit in der Pizzeria. Dazwischen mal kurz den Lappen verlohren und deshalb 3 Monate einer Bude gearbeitet, in der man den ganzen Tag Leiterplatten bestückt... nichts für mich.
Während meinerm Job als Kurier hat mich ein Kollege darauf aufmerksam gemacht, dass ein Kunde seines Arbeitgebers einen Nachfolger für seinen Mitarbeiter sucht und ich auf die Jobbeschreibung passen könnte. Kurz darauf hab ich mich dort vorgestellt und den Arbeitsvertrag fast schon nachgeworfen bekommen.
In der Firma arbeiteten mit mir 4 Personen: der Chef, seine Frau in der Buchhaltung, eine Teilzeitkraft für Vormontagen und ich. Anfangs hab ich vor allem Industriescanner montiert und in Betrieb genommen, die "wir" entwickelt hatten. Nach und nach hab ich immer mehr konstruiert und mir im Selbststudium Pro/E beigebracht. Ich würde mich aber nicht als Profi darin bezeichnen. Da schöne an der Bude: absolut familiäres Verhältnis!
Nach ca. 8 oder 9 Jahren ist dann mein Chef mit 74 mal in Rente gegangen... irgendwann konnte er seine privaten Pflichten in seinem Garten nicht mehr länger hinauszögern
"Unsere" Bude wurde dann von einem damaligen Kunden übernommen, dem für seine Projekte die Connections zu Mechanikern usw. fehlten. Ich arbeite also eigentlich immer noch im selben Betrieb, bin nun aber der einzige Mitarbeiten. Die Firma besteht eigentlich nur noch wegen den alten Kunden. Ich arbeite zu 90% nur noch für die Firma, die uns übernommen hat. Diese ist im Bereich Raumfahrt tätig und entwickelt einfach gesagt lasergestütze Kommunikationstechniken für Satelliten und Sternwarten. Ich bin dort neben der Betreuung unserer "alten" Kunde das "Mädchen für alles": Konstruktion einfacher Module und Vorrichtungen, Planung und Beschaffung aller mechanisch zu fertigenden Teile, Montage, Labor, Betreuung der Kollegen in der Werkhalle und Labor, Inbetriebname neuer Spielzeuge auf Teneriffa,ab und an im Reinraum bei der Montage der Teile, die auf den Satelliten geschnallt werden und der Trottel, der die verfi***en Pflanzen im Büro giessen muss.
Mir gefällts meine Arbeit sehr gut, da sie extrem abwechslungsreich und interessant ist. Ich bin bald mal 35, noch ohne Familie und frage mich schon ab und zu, wo mich das Leben noch hinführen wird. Ich sollte mich wiedermal weiterbilden, weiss aber aktuell nicht, was wirklich Sinn machen würde. Eigentlich würde mich immer noch was in Sachen IT interessieren, dafür könnte ich auch am meisten Motivation aufbringen. Für's Geschäft wäre aber aktuell wohl eine Weiterbildung in Sachen Büropflanzen wohl am nützlichsten ("ja Chef, die Pflanzen müssen so trocken aussehen, ist ja Sommer! Die entwickeln sich dann von selber in Richtung Kaktus").
Nebenher betreue ich noch die Spezialitätenbäckerei in Sachen IT und verkaufe Kodi-Zeugs im Bekanntenkreis.